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Tagesthemen
Donnerstag 7. Dezember
Baker-Bericht: «Die gegenwärtige US-Politik
funktioniert nicht»
Washington (dpa) - Die unabhängige US-Kommission unter Leitung des
ehemaligen republikanischen US-Außenministers James Baker und des
Demokraten Lee Hamilton hat einen Strategiewechsel für die weitere
Politik der US-Regierung im Irak gefordert. Im Folgenden Auszüge aus
dem am Mittwoch in Washington vorgestellten Bericht, der 79 Empfehlungen
enthält:
«Die gegenwärtige US-Politik funktioniert
nicht: Das Gewaltniveau im Irak steigt, und die Regierung treibt eine
Aussöhnung im Land nicht voran.»
«Die Vereinigten Staaten müssen einen neuen internationalen Konsens für
die Stabilität im Irak und die Region schaffen (...) Ein
internationales Gerüst sollte alle Staaten einbeziehen, die ein
Interesse daran haben, Chaos im Irak zu vermeiden. Iraks Nachbarstaaten
sollten mit einbezogen werden, unter anderem der Iran und Syrien. Trotz
der bekannten Unterschiede zwischen vielen dieser Länder, teilen alle
das Interesse, die furchtbaren Konsequenzen zu vermeiden, die von einem
Chaos im Irak ausgehen würden, besonders eine humanitäre Katastrophe
und regionale Instabilität (...) Die neue diplomatische Offensive kann
Radikale und Terroristen an den Rand drängen, US-Werte und -Interessen
fördern und Amerikas Image verbessern (...) Teilnehmende Staaten an der
diplomatischen Offensive können eine bedeutende Rolle dabei spielen,
die nationale Aussöhnung zwischen irakischen Sunniten und Schiiten zu fördern.»
«Die Ziele der diplomatischen Offensive in Bezug auf regionale Partner
sollten beinhalten: die Unterstützung der Einheit und territorialen
Integrität des Irak; den Stopp destabilisierender Eingriffe und
Handlung durch Iraks Nachbarstaaten; die Sicherung der Grenzen; die
Vermeidung eines ausufernden Konflikts; wirtschaftliche, politische und,
wenn möglich, militärische Hilfe muslimischer Staaten, die nicht an
den Irak grenzen; eine multinationale Hilfe bei der politischen Aussöhnung
im Irak; die Anerkennung von Iraks Rechtmäßigkeit; die Errichtung
aktiv arbeitender Botschaften; eine gegenseitig akzeptable Vereinbarung
für Kirkuk.»
«Die Vereinigten Staaten können ihre Ziele im Nahen Osten nicht
erreichen, ohne den arabisch-israelischen Konflikt und die regionale
Instabilität einzubeziehen. Es muss einen neuen und dauerhaften Einsatz
der USA für einen übergreifenden arabisch- israelischen Frieden auf
allen Seiten geben (...) Dieser Einsatz sollte sobald wie möglich mit
Friedensverhandlungen beginnen.»
«Ein Land kann und sollte seine Gegner und Feinde einbeziehen, um
Konflikte und Differenzen beizulegen. Deshalb sollte die Internationale
Unterstützergruppe Iran und Syrien in ihre diplomatischen Gespräche
ohne Bedingungen einbeziehen. Die Vereinigten Staaten sollten dabei
Anreize und Abschreckungsmittel erwägen (...) Im Zusammenhang mit einem
vollständigen und sicheren Friedensvertrag sollten die Israelis die
Golanhöhen zurückgeben, einschließlich einer US-Sicherheitsgarantie,
die eine internationale Schutztruppe an der Grenze beinhalten könnte.»
«The Vereinigten Staaten sollten die Anzahl der US-Soldaten deutlich
erhöhen - einschließlich Kampftruppen, die in irakische
Armee-Einheiten eingebettet sind, und sie unterstützen. Wenn diese
Handlungen vorankommen, könnten US-Kampftruppen im ersten Quartal 2008
aus dem Irak abgezogen werden. (...) Wir empfehlen eine fünffache Verstärkung
der US-Truppen, die das irakische Militär ausbilden, von (...) 4000 auf
20 000 Mann. Wir empfehlen nicht, die Gesamtstärke der US-Truppen
- wie vorgeschlagen - um 100 000 bis 200 000 Mann zu erhöhen.
(...) Zusätzliche Streitkräfte dieser Größenordnung sind einfach
nicht vorhanden.»
«Der Irak ist ein Kernstück der amerikanischen Außenpolitik und
bestimmt, wie die Vereinigten Staaten in der Region und der Welt
angesehen werden. Weil die Ereignisse im Irak durch amerikanische
Entscheidungen und Handlungen in Gang gesetzt wurden, haben die
Vereinigten Staaten ein nationales und moralisches Interesse daran, den
Irakern die Vermeidung von Chaos zu ermöglichen.»
«Wir glauben, dass es ein Fehler für die USA wäre, das Land zu früh
zu verlassen. Ein voreiliger amerikanischer Rückzug aus dem Irak würde
eine noch größere religiöse Gewalt und eine weiterführende
Verschlechterung der Lage erzeugen. Die kurzfristigen Konsequenzen wären
ein bedeutendes Machtvakuum, größeres menschliches Leid, regionale
Instabilität und eine Gefahr für die Weltwirtschaft. (...) Wir
empfehlen keinen übereilten Truppenrückzug aus dem Irak, weil es zu
einem Blutbad und einem erweiterten regionalen Krieg führen könnte.»
«Die Frage von Irans Atomprogramm sollte weiter im UN- Sicherheitsrat
und seinen fünf ständigen Mitgliedern plus Deutschland behandelt
werden.»
«Falls die irakische Regierung keinen wesentlichen Fortschritt bei der
Aussöhnung, Sicherheit und Führung des Landes erreicht, sollten die
Vereinigten Staaten ihre politischen, militärischen oder
wirtschaftlichen Hilfen für die irakische Regierung minimieren.»
«Der Präsident sollte erneut betonen, dass die USA nicht die Ölvorkommen
im Irak kontrollieren wollen (...) Die Öleinnahmen des Staates sollten
der zentralen Regierung zu Gute kommen und auf der demographischen Basis
geteilt werden.»
«In den Provinzen sollten so früh wie möglich Wahlen stattfinden.
Laut Verfassung sollten Provinzwahlen längst stattgefunden haben. Sie
sind notwendig, um eine repräsentative Regierung wiederherzustellen.»
«Die Vereinigten Staaten müssen mit allen Gruppen - mit Ausnahme von
El Kaida - im Irak reden. Die Vereinigten Staaten müssen einen Weg
finden, mit Großajatollah Sistani, Muktada al-Sadr und Militär- und
aufständischen Führern zu reden.»
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